Nachgefragt bei der Umweltplanerin: Was passiert im Scoping-Verfahren?
Seit August läuft das Scoping-Verfahren für das Bahnprojekt Brenner-Nordzulauf. Es ist ein Vorverfahren für die spätere Umweltverträglichkeitsprüfung. Zuletzt gab es kritische Stimmen. Zeit für ein klärendes Gespräch mit Anette Fogy-Gruber, Referentin für Umweltplanung und Naturschutz im DB-Projektteam.
Hallo Anette! Zum Einstieg: Was ist überhaupt das Ziel eines Scoping-Verfahrens?
Grundsätzlich ist das Scoping ein vorgelagertes Verfahren. Es schafft erst einmal eine Grundlage für die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung. Die folgt dann in den kommenden Planungsphasen. Im Scoping wird festgelegt, was die DB später in ihrem Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung untersuchen muss. Dabei werden zum Beispiel die Art, der Umfang und die Methodik der Untersuchungen definiert – und das für die einzelnen gesetzlichen Schutzgüter. Kurz gesagt: Das Scoping legt den Rahmen der Untersuchungen fest. Die Bewertung erfolgt in den späteren Fachgutachten.
Wie sind die Zuständigkeiten verteilt?
Wir als DB haben die Scoping-Unterlage erstellt und eingereicht. Die Verfahrensführung an sich liegt beim Eisenbahn-Bundesamt. Es beteiligt frühzeitig sogenannte Träger öffentlicher Belange – das sind zum Beispiel Behörden und Institutionen, denen öffentliche Aufgaben zugewiesen sind. Hierzu zählen zum Beispiel Kommunen, Umweltbehörden und Versorgungsunternehmen. Diese können Hinweise geben, zum Beispiel auf Daten oder Planungen, die ihrer Meinung nach in der Umweltverträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind. Am Ende des Scoping-Verfahrens steht ein Bericht des Eisenbahn-Bundesamts.
Du hast von gesetzlichen Schutzgütern gesprochen. Was sind das für Schutzgüter?
Den Rahmen gibt das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, kurz UVPG, vor. Es benennt zahlreiche Schutzgüter. Dazu zählen natürlich die Menschen und ihre Gesundheit sowie Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt. Auch Boden und Fläche, das Wasser, das Klima, die Luft, die Landschaft, das kulturelle Erbe und sonstige Sachgüter sind gesetzliche Schutzgüter.

Was wird im Scoping-Verfahren konkret festgelegt?
Nehmen wir das Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt. Zunächst werden übergeordnete Themen definiert, die wir in der späteren Umweltverträglichkeitsprüfung behandeln müssen – zum Beispiel das Thema Vogelschutz. Dann wird festgelegt, welche Untersuchungen wir ausführen müssen – etwa die Kartierung von Vögeln. Dafür werden schließlich geeignete Methoden ausgewählt, beispielsweise die Zählung von Vögeln.
Neben den Methoden ist der Untersuchungsraum an sich ein viel diskutiertes Thema.
Es ist natürlich eine wichtige Frage, in welchen Bereichen die Auswirkungen der Neubaustrecke auf die Schutzgüter zu untersuchen sind. Dafür muss man verschiedene Begriffe unterscheiden. Zum einen gibt es den Untersuchungsrahmen. Er beträgt eine Breite von mindestens 2.000 Metern, also jeweils ein Kilometer links und rechts der Neubaustrecke. Innerhalb dieses Rahmens beschäftigen wir uns eingehend mit den vorhandenen Daten zu allen Schutzgütern.
Davon abzugrenzen sind die Untersuchungsräume. Diese sind kleinteiliger und werden vor Ort konkret untersucht, etwa durch Kartierungen. Die Untersuchungsräume werden je nach Schutzgut individuell festgelegt. Für Pflanzen ist der Untersuchungsraum in der Regel etwa 400 Meter breit. Bei Tieren ist er für jede Tiergruppe spezifisch festgelegt. Für Reptilien wird etwa ein geringerer Raum angesetzt als für Vögel.

Wichtig ist, dass diese Werte nicht pauschal sind. Die Untersuchungsräume werden an die jeweilige Situation angepasst. Dabei spielen u.a. Ausbreitungskorridore, Schutzgebiete oder Bereiche mit besonderen Artvorkommen eine Rolle. Maßstab sind immer die potenziellen Auswirkungen des Projekts. Letztendlich müssen wir später alle Auswirkungen erfassen und bewerten.
Was passiert, wenn sich in den folgenden Planungsphasen noch Änderungen ergeben?
Der Deutsche Bundestag wird sich im nächsten Schritt mit dem Projekt und den eingereichten Kernforderungen befassen. Falls es in der parlamentarischen Befassung oder in der weiteren Planung zu Änderungen kommt, wird der Umfang der Untersuchungen entsprechend angepasst.
Aber wie lassen sich Projektanteile, die noch gar nicht grundstücksscharf feststehen, im Scoping-Verfahren berücksichtigen – Stichwort Baustelleneinrichtungsflächen?
Die größeren Baustelleneinrichtungsflächen, die wir bereits in der Vorplanung skizziert haben, sind auch Bestandteil der Scoping-Unterlage. Sowohl der Untersuchungsrahmen als auch die spezifischen Untersuchungsräume decken diese Bereiche selbstverständlich ab. In den folgenden Planungsphasen werden Baukonzepte vertieft betrachtet. Die meisten kleineren Baustellen, etwa für Brücken, werden innerhalb der ohnehin ausgewiesenen Untersuchungsräume liegen. Grundsätzlich gilt aber: Sind darüber hinaus Projektwirkungen erkennbar, dann werden die Untersuchungsräume ergänzt.

Du hast schon kurz die parlamentarische Befassung erwähnt. In Medienberichten ist zu lesen, dass auch Kernforderungen als Stellungnahmen zum Scoping-Verfahren abgegeben wurden.
Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange am Scoping-Verfahren ist wichtig. Sie erhalten frühzeitig einen Einblick in den vorgesehenen Untersuchungsrahmen und können fachliche Hinweise geben. Das hilft, die Umweltverträglichkeitsprüfung vorzubereiten. Bereits im Juni 2024 haben wir in den Dialogforen über das anstehende Scoping informiert.
Die Diskussionen um die Kernforderungen sind davon abzugrenzen. Für die Vorzugstrasse liegt eine abgeschlossene Vorplanung vor. Dafür gilt es, den Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung abzustecken. Im Scoping wird nicht über Kernforderungen entschieden – das macht der Deutsche Bundestag. Sollte sich der Trassenverlauf durch Entscheidungen des Bundestags ändern, wird der Umfang der Untersuchungen entsprechend angepasst.
Gibt es für die Beteiligten nach dem Scoping-Verfahren überhaupt noch eine Möglichkeit, sich zu Umwelt und Naturschutz einzubringen?
Selbstverständlich! Wie bereits gesagt: Das Scoping ist ein Vorverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Betonung liegt auf dem Wort „Vorverfahren“. Erst in einigen Jahren erfolgt als Teil der Genehmigungsverfahren die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung. Hier haben alle Betroffenen die Möglichkeit, ihre Einwände anzubringen. Zu diesem Zeitpunkt liegen dann auch alle Informationen vor, die jetzt aufgrund der sehr frühen Planungsphase noch nicht konkret vorliegen können.
Vielen Dank für das Gespräch, Anette.
